Zwischen Eisbergen und Kohlegruben

Wir sind auf Spitzbergen angekommen und von der Zivilisation am Ende der Welt überrascht- aber der Reihe nach…

Der letzte Bericht stammt noch aus der Zeit, in der ich mit Micha die gästefreie Zeit im Trollfjord verbracht habe. Das ist nun schon fast zwei Wochen her. Um Bene, unseren nächsten Gast abzuholen, segeln wir bei (entgegen den Vorhersagen) schönstem Wetter nach Bodö zurück, ein genialer Schlag am Wind.

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Im Hafen von Bodö die erste Schrecksekunde: während ich am Bug stehe und wir langsam in das enge Hafenbecken einfahren kommt plötzlich Michas Ruf von achtern: „der Rückwärtsgang ist blockiert! Halt schnell einen Fender vor den Bug!“ Wohlgemerkt: wir sind mit knapp 30 Tonnen und ohne Bugstrahlruder unterwegs. Aber alles geht gut, der Seelenverkäufer, an dem wir längsseits gehen, bleibt unbeschädigt. Am folgenden Tag werden wir Mitglied bei der „Redningsselskapet“, eine Art Rotes Kreuz und ADAC zu Wasser. Der Kapitän des 24 Stunden besetzten Bootes lässt es sich nicht nehmen, persönlich im Trockentauchanzug und bewaffnet mit einem Küchenmesser unseren Propeller vom Fischernetz zu befreien, das wir uns im hafen in die Schraube gefahren haben. Netter Smalltalk, unter anderem über den Lieblingsfilm der Crew, „Das Boot“, folgt und wir sind froh, wieder manövrierfähig zu sein.

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Am Abend erreicht uns dann Bene- die gute Laune in Person. Bewaffnet mit einer Vollausstattung an Burton-Artikeln von seiner Arbeit und einer Flasche „Tres Hombres“-Rum vervollständigt er unsere Beastzung.
Nicht ohne dem „Dama Di“ noch einen Besuch am Wochenende abzustatten verlassen wir am übernächsten Tag Bodö, um wiederum die Lofoten anzusteuern. Kaum aus dem Hafen gibt es Neuigkeiten: die Wettervorhersage hat sich verändert und wir planen, ohne weiteren Landfall nach Spitzbergen durchzusegeln. Jedoch lassen wir es und nicht nehmen, auch mit Bene noch einmal den beeindruckenden Trollfjord anzulaufen. „Unser“ schöner Steg ist leider belegt mit einer Gruppe Motoryachten, so dass wir kurzerhand unsere Schärenanker in der Felswand befestigen und „vor Nagel“ die Nacht verbringen- ein beeindruckendes Erlebnis.Am folgenden Tag wird es ernst- aufgrund einer Flaute motoren wir die restliche Strecke durch die Lofoten bis an den nordwestlichen Rand. Dort gehen wir ein letztes Mal für wenige Stunden vor Anker, bereiten große Mengen an warmen Speisen für die Überfahrt zu und ruhen uns noch einige Stunden aus. Montagabend um 22 Uhr ist es dann so weit- die Überfahrt nach Spitzbergen beginnt.
Wir fahren ein vier-Stunden-Wachsystem. Das bedeutet, dass jeder eine vierstündige Wache fährt, um dann wiederum acht Stunden „off“ zu haben wo nur bei Manövern wie z.B. reffen zu helfen ist. Durch den Autopiloten und das komfortable Pilothouse lassen sich aber auch die Wachen gut ertragen. Einzig das Am-Wind-Segeln mit 30° zum Wind bedeutet viel Schräglage (meist 20-30°) und viel Bewegung im Schiff- es dauert für uns alle unterschiedlich lang, bis wir richtige Seebeine haben, bei mir etwa zwei Tage.

Außer einigen verstreuten Fischerbooten weit, weit draußen begegnen wir- nichts. Ein Schwarm Möwen folgt uns für die kompletten vier Tage, die die Überfahrt dauert, stets auf der Jadg nach kleinen Fischen im Kielwasser. Nach gut drei Tagen ruft Micha plötzlich aus dem Pilothouse: „Land in Sicht“! Schnell sind auch wir an Deck und sehen die Südspitze Spitzbergens an Steuerbord zwischen den Wolken am Horizont größer werden. Nicht mal eine Stunde drauf der nächste Ruf: „Eisberg voraus“! Ungläubig sehen wir einen wohl 5×5 Meter großen Eisbrocken in 200 Meter entfernung vorbeiziehen- das war´s wohl mit den entspannten, teils im Tagtraum verbrachten wachen. Schon wenige Stunden später durchqueren wir das erste Feld mit Treibeis, welches sich von der Ostseite Spitzbergens um die Südspitze herumdrückt und dann von der Strömung nach Norden getrieben wird. Vorsichtig manövrieren wir hindurch und bekommen die ersten Robben zu sehen, welche es sich auf dem Treibeis gemütlich machen.
Fast einen ganzen Tag motoren wir nun noch unter Land  bis hinein in den Eisfjord, in welchem 98% der 2600 Einwohner Svalbards, wie es die Norweger nennen, leben. Longyearbyen, Barentsburg, Svea und Pyramiden sind die größeren Orte, wir gehen in der mit Abstand größten Siedlung, Longyearbyen, vor Anker. Spät nachts um 3 Uhr zaubert Bene wiederum einen „Talisker Skye“-Whisky aus dem Gepäck und einen schönen Österreichischen Kaiserschmarrn auf den Teller- bei strahlender Sonne am „Nachthimmel“.
Die folgenden Tage sind geprägt vom Umherstreifen im Ort, Museumsbesuch, Barbesuchen (es ist schon wieder Wochenende…), unter anderem in der Bar mit dem besten Whisky-Angebot nördlich des Polarkreises. Und das hat es in sich. Rund 100 verschiedene Sorten stehen dort zur Auswahl ein Paradies für unseren Single-Malt-Freund.
Heute Morgen muss Bene leider wieder seine Sachen Packen und uns verlassen. Sehr, sehr schade, es war eine spaßige und schöne Zeit! Micha und ich machen uns nach einem kleinen Powernap (der Flieger ging um 4 Uhr morgens) auf den Weg zum Sysselmann, dem Gouverneur der Insel. Wir müssen klären, ob die Versicherung ausreicht um die Genehmigung für weitere Fahrten in abgelegenere Ecken von Spitzbergen zu unternehmen. Morgen gibt es dazu Rückmeldung, heute Abend gibt es Besuch vom Nachbarboot, deren Crew Micha für heute Abend zum Essen eingeladen hat.
Anfang Juli muss das Boot wieder in Südengland sein, um den Zeitplan für die weiteren Törn einhalten zu können, was bis dahin passiert und auf welcher Route wir uns weiter bewegen werden entscheidet sich morgen. ich bin gespannt…

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